Von Markus Egger
Als Mitte der 1950er-Jahre auch der grenzüberschreitende Reiseverkehr wieder stärker ins Rollen kam wurde auch der Verkehr zwischen den Benelux-Staaten bzw. London und Wien neu geordnet. Anfang der 50er-Jahre bestand in dieser Relation (zumindest über Frankfurt-Nürnberg) nachts nur das Zugpaar D 305/304 Köln-Wien und zurück, das jedoch u.a. Kurswagen Hoek van Holland-Wien, Amsterdam-Wien und Oostende-Wien führte. Ab Mitte der 50er waren daraus dann zwei Züge entstanden – neben dem F 52/51 „Oostende-Wien-Express“/“Wien-Oostende-Express“ auch der am 23.Mai 1954 erstmals verkehrende zunächst noch namenlose D 302/301, um den es in diesem Artikel gehen soll. Allerdings konnet der Zug in dieser Fahrplanperiode zunächst nur auf dem Abschnitt Arnheim – Wien verkehren. Dieses Zugpaar stellte das Wiederaufleben einer bis in den 2.Weltkrieg hinein langjährig etablierten Fernverbindung Wien-Amsterdam dar (D 67/68 – separater Artikel dazu folgt).
Insbesondere im deutschen Abschnitt erfüllte D 302/301 auch umfangreiche Erschließungsaufgaben in kleineren Städten. U.a. Wesel, Bonn-Bad Godesberg, Remagen, Andernach, Rüdesheim, Gemünden (Main), Kitzingen und Neumarkt (Opf) – letzteres aber nur morgens nordwärts – erhielten dadurch hochwertigen und direkten Fernverkehrsanschluss. Die Streckenführung war recht direkt und klassisch. Die Holländisch-Deutsche-Grenze wurde bei Emmerich überquert. Ab Köln wurde zunächst die linke Rheinstrecke benutzt, bevor man südlich Koblenz auf die rechte wechselte um dann im Wiesbadener Hbf Kopf zu machen. Nach erneutem Kopf machen in Frankfurt (Main) Hbf wurde über die Spessartrampe und Nürnberg in der tiefen Nacht die österreichische Grenze bei Passau erreicht. In Österreich gab es morgens asymmetrische Zwischenhalte in Amstetten und St. Pölten im Zulauf auf Wien, während spät abends statt in diesen Orten kurz vor Mitternacht in St. Valentin gehalten wurde. Im Abschnitt Frankfurt-Wien führte der Zug Schlaf- und Liegewagen der DB, im Abschnitt Emmerich-Nürnberg einen Speisewagen, als einzige Kurswagen gab es einen Wagen 1. und 2. Klasse Emmerich – Bad Kissingen (!), der in Gemünden den Zug wechselte.
Für 1958 hat das Projekt „db58.de“ schon zahlreiche Informationen zum Zug zusammengetragen:
Bespannungen:
Im DB-Abschnitt durften sich bei dem Zugpaar bis zu 6 verschiedene Baureihen austoben – von der Länderbahn-P8 zwischen Frankfurt und Wiesbaden und frisch „aufgemotzten“ Länderbahn 18.6 über Klassiker wie E18, 01 und 03, Exoten wie der E10.0 bis zu hochmodernen V200.
Link: http://www.db58.de/2009/01/09/bespannungsuebersicht-d-301-d-302-so58/
Zugbildung:
Den größten Teil des Wagenstamms Amsterdam-Wien stellt die NS – nämlich die Sitzwagen, den Packwagen stellt die ÖBB. Die DB stellt einige abschnittsweise Verstärkungswagen – bereits größtenteils 26,4m-Wagen – sowie den Liegewagen Frankfurt-Wien, während den Schlafwagen Frankfurt-Wien die CIWL stellt. Der Kurswagen nach Bad Kissingen ist ein ABm.
Link: http://www.db58.de/2009/02/27/db-zugbildungsplan-des-d-301-d-302/
Interessant ist auch der entsprechende niederländische Zugbildungsplan:
http://www.db58.de/2009/02/07/zugbildungsplan-d-301-d-302-ns/
In der Nacht vom 1. auf den 2. Dezember 1960 war der Wien-Holland-Express in Österreich im Bahnhof Schallerbach-Wallern auf einen Güterzug geprallt – es gab 15 Verletzte. Ein zeitgenössischer Bericht aus der Passauer Neuen Presse berichtet darüber.
In der Nacht vom 24. auf den 25.April 1961 reiste der schwedische König Gustaf Adolf mit dem Holland-Wien-Expreß zum Staatsbesuch nach Wien – Standesgemäß allerdings im extra eingesetzten Salonwagen, der wohl zusammen mit den damals bestehenden Kurswagen aus Kopenhagen in Würzburg in den Holland-Wien-Expreß gekommen sein dürfte. Die Passauer Neue Presse vom 26. April 1961 enthält eine herrliche zeitgenössische Erlebnisreportage vom kurzen Grenzaufenthalt des Zuges in Passau – inklusive blökendem Schaf im Expreßgutwagen, Schienenbus als Vorzug zum Holland-Wien-Expreß und vor allem bayerische Lebenslust bei den Gerstensaftfreunden in der Bahnhofsgaststätte. Absolut lesenswert!
Eine deutliche Beschleunigung auf allen Abschnitten konnte bis 1962 erzielt werden, so dass sich die Reisezeit Amsterdam-Wien um drei Stunden reduzierte, trotzdem gab es zumindest in Fahrtrichtung Wien nun zusätzliche tiefnächtliche Zwischenhalte in Straubing und Plattling. In Österreich kam in beide Richtungen ein Zwischenhalt in Melk hinzu. Der Zug erhiekt nun auch einen Namen und nannte sich Richtung Wien „Holland-Wien-Express“ bzw. in der Gegenrichtung „Wien-Holland-Express“. Interessanterweise waren die Begegnungen der jeweiligen Gegenzüge 1962 jeweils in Grenzbahnhöfen – tagsüber trafen sie sich in Arnhem, nachts in Passau Hbf. Statt dem Kurswagen Emmerich-Bad Kissingen gab es nun Kurswagen Kobenhavn-Wien, die im Abschnitt Fulda-Kobenhavn im F 212/211 „Skandinavien-Italien-Express“ liefen und im Abschnitt Fulda-Würzburg im kurzen Kurswagenüberbringer D 402/401 Fulda-Würzburg. Richtung Norden gab es zusätzliche Verstärkungswagen Nürnberg-Arnhem (in der Hochsaison sogar bis Amsterdam), die jedoch mit einem anderen Zug wieder zurückkehrten. Der Speisewagen lief nun im Abschnitt Oberhausen-Würzburg, zusätzlich gab es nun im österreichischen Abschnitt Schärding-Wien einen Verkauf von Speisen und Getränken durch die ISG. Ab 1962 ist die ÖBB statt der NS für die Stellung des Sitzwagenstammes Amsterdam-Wien verantwortlich.
Bis 1966 konnten nochmals 30 (Richtung Wien) bis 60 Minuten (Richtung Amsterdam) Fahrzeit gewonnen werden. Die Halte Andernach und Bonn-Bad Godesberg entfielen komplett, Remagen entfiel nordwärts. Erneut eine Änderung gab es beim Lauf des Speisewagens: er war nun bereits wieder ab Emmerich, aber nur noch bis Frankfurt dabei, dafür gab es nun bereits ab Frankfurt bis Wien, nicht mehr erst ab Schärding, den Verkauf von Speisen und Getränken im Zug. Die Verstärkungswagen Nürnberg-Arnhem gab es nicht mehr. Im Abschnitt Frankfurt-Wien war eine E10 des Bw Nürnberg am Zug, im Abschnitt Wien-Nürnberg eine 1010 der ÖBB.
An bestimmten Tagen mit hohem Verkehrsaufkommen verkehrte in diesen Jahren vor dem D 302 im deutschen Abschnitt Oberhausen – Passau voraus noch ein Vorzug DVz 302. Das Verkehren dieser Zusatzzüge wurde u.a. in der örtlichen Presse bekanntgegeben: http://digipress.digitale-sammlungen.de/de/fs1/calendar/0-0-0.all/bsb00051139_00469.html?spellcheck=true&qt=dismax&hl=true&mode=comfort&fulltext=Holland-Wien-Express&zoom=1.0.
Auch in den nächsten Jahren waren nochmals Fahrzeitverkürzungen möglich, bis zum Winterfahrplan 1969/70 nochmals jeweils 15 bis 30 Minuten je Richtung. Keine Änderungen gab es bei der Route, nordwärts wurde nun in Straubing und Amstetten statt in St. Valentin gehalten. Die Kurswagen aus Kobenhavn verkehrten im Sommer 1969 gar nicht mehr, im Winter 1969/70 war dies dann ein einsamer Sitzwagen 1. und 2. Klasse.
Die Zugbildung des D 302 ist im Winter 1969/70 etwas kopakter geworden. Aus Kobenhavn kommt nun nur noch ein ABm der DSB, die NS stellt im Winter keine Wagen, sonst gibt es keine größeren Änderungen.
Für 1970 liegen für den gesamten deutsch-österreichischen Abschnitt Bespannungen vor:
D 302: Emmerich-Wiesbaden 110 Bw Köln, Wiesbaden-Frankfurt 110 Bw Hamburg, Frankfurt-Wien 1042 ÖBB
D 301: Wien-Frankfurt 110 Bw Nürnberg, Frankfurt-Wiesbaden 110 Bw Frankfurt, Wiesbaden-Emmerich 110 Bw Köln
In Teil 2 der kleinen Serie zum Holland-Wien-Express geht es dann um die Zeit ab 1971.
Vielen Dank an DSO-User Plumps für die ZpAR-Auszüge sowie Ulrich Brandl für die DSG-Schlafwagenfahrpläne.
Offene Fragen und Möglichkeiten zur Mithilfe:
- Wann fielen die Bad Kissinger Kurswagen zu Gunsten der Kopenhagener weg?
- weitere Bespannungen in den Dampfabschnitten vor der Elektrifizierung
- Berichte, Erlebnisse, Diskussionen
Stand: 19.5.2013